Finanzwelt: Dr. Pollert und Prof. Dr. Schimmel im Interview über Aircoating

Aircoating-Technologie könnte die Revolution in der kommerziellen Schifffahrt werden. Prof. Dr. Thomas Schimmel, Universitätsprofessor am Karlsruher Institut für Technologie und Dr. Heiner Pollert, Gründer und Geschäftsführer bei der PATENTPOOL Group erklären im finanzwelt-Interview, wie das funktioniert und Anleger davon profitieren können.

finanzwelt: Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Thomas Schimmel, Sie haben drei wesentliche Probleme von Booten und Schiffen gelöst: Bewuchs des Schiffrumpfes mit Meeresorganismen, Korrosion des Materials durch Salzwasser und vor allem der Reibungswiderstand bei Bewegung. Wie genau funktioniert das?

Prof. Dr. Thomas Schimmel: Über eine spezielle, bioinspirierte Beschichtung hält die Schiffsoberfläche unter Wasser eine Luftschicht fest. Das Schiff gleitet also in einer Hülle aus Luft, wie es anlässlich des 2019 verliehenen Validierungspreises des Bundesministeriums (1. Preis) so treffend formuliert wurde. Diese Hülle soll nicht nur dazu dienen, das Schiff „per Luft-Schmierung“ reibungsarm durch das Wasser gleiten zu lassen. Kommt das Schiff nicht mehr mit dem Wasser in Kontakt, lassen sich zugleich die Probleme des Biofouling und der Korrosion angehen – beides Probleme, die ausschließlich durch den Kontakt des Schiffes mit dem Wasser verursacht werden.

Hinzu kommen noch zwei weitere Vorteile: Man geht davon aus, dass die Luftschicht zudem die Schallemission von Schiffsrumpf in das Wasser reduziert und damit dazu beitragen kann, ein weiteres großes ökologisches Problem zu lösen. Und: Toxische Stoffe aus Schiffsbeschichtungen können nicht ins Meerwasser abgegeben werden, wenn das Schiff gar nicht mit dem Meerwasser in Kontakt kommt.

finanzwelt: Diese Technik steht für kleine Boote bis große Containerriesen zur Verfügung. Ab wann kann damit gerechnet werden?

Prof. Dr. Schimmel: Bereits im Sommer 2019 führten wir erste erfolgreiche Tests mit einem kleinen ferngesteuerten Boot mit Luftbeschichtung auf dem Geiranger Fjord aus. Nun erfolgt der Test an zunehmend größeren Schiffen bis hin zu Testflächen an einem Containerschiff im Rahmen des Aircoat-EU-Projektes.A

finanzwelt: Die 50 größten Schiffe stoßen mehr Giftstoffe aus, als alle Autos dieser Welt. Wieviel würde alleine Ihre Aircoating-Technologie hier helfen?

Prof. Dr. Schimmel: Diese oft zitierte Aussage muss sicher noch etwas differenzierter hinsichtlich der unterschiedlichen Schadstoffe betrachtet werden. Aber sie macht die Größenordnung des Problems anschaulich. Andererseits lässt sich Schifffahrt auch nicht vermeiden. Der weitaus größte Teil des Welthandels, ca. 90%, wird mit Schiffen abgewickelt. Mit einer Reduktion der Reibung durch die Lufthülle ergibt sich unmittelbar eine Reduktion der benötigten Antriebsleistung des Schiffes, was sich direkt in einer entsprechenden Verminderung des CO2-Ausstoßes und der Schadstoffemissionen des Schiffes auswirkt.

finanzwelt: Apropos Umweltschutz: Die Nutzung von umweltschädlichen Anti-Fouling-Beschichtungen für jedes Schiff Jahr für Jahr hat katastrophale Auswirkungen auf die Natur. Inwieweit hilft hier die Aircoating-Technologie?

Prof. Dr. Schimmel: Die Vergiftung der Weltmeere durch umweltschädliche Antifouling-Beschichtungen stellt in der Tat ein großes ökologisches Problem dar. Eine Zeitschrift umschrieb dies unlängst mit den Worten „Alles vergiften, was vorbeischwimmt“. Hier hilft die Luftschicht in doppelter Weise: Zum einen wäre selbst ein toxisch mit Antifouling-Substanzen beschichteter Schiffsrumpf nicht umweltschädlich, solange er von einer Luftschicht umgeben ist: Nicht das Gift ist umweltschädlich, sondern die Freisetzung des Giftes. Und dies wird durch eine durchgehende Luftschicht vermieden. Zum anderen wird Fouling erheblich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht, wenn der Schiffsrumpf von Luft umgeben ist und nicht von Wasser.

finanzwelt: Eine erfolgreiche Probe, umgeben von einer stabilen Luftschicht, liegt im Karlsruher Institut bereits seit mehr als sieben Jahre trocken unter Wasser. Mit welcher Haltbarkeit rechnen Sie für Ihre Folie bei richtiger Anwendung?

Prof. Dr. Schimmel: Unter Laborbedingungen erscheint aus heutiger Sicht die Haltbarkeit der Luftschicht der von uns entwickelten Modelloberflächen zeitlich nicht begrenzt zu sein. Unter harten maritimen Umgebungen hingegen sind die Anforderungen höher, und es ist auch mit Beschädigungen und Abnutzung zu rechnen – aber letzeres trifft natürlich für gegenwärtig verwendete Schiffsbeschichtungen in gleicher Weise zu. Sieben Jahre (oder mehr) sind aber ein Zeitraum, den wir für technische Anwendungen als Lebensdauer der Schiffsbeschichtung ebenfalls anstreben.

finanzwelt: Mit welchen Umsätzen rechnen Sie für 2021/22?

Dr. Heiner Pollert: Für 2021 werden wir noch testen und keine Umsätze erzielen. In 2022 ist der Marktstart geplant. Wir gehen davon aus, dass ab 2023 Umsätze in zweistelliger Milionenhöhe erzielt werden. Denn stärkere Auflagen der Politik im Bereich von Treibhausemmissionen und Verschmutzung der Gewässer werden den Druck auf die Redereien massiv erhöhen, so dass umweltfreundliche Lösungen zum Einsatz kommen müssen. Derzeit sind ca. 98 Tausend Frachter, Öltanker und Kreuzfahrtschiffe im Einsatz, die jeweils eine zu beschichtende Fläche von mehr als 4.000 qm pro Schiff aufweisen. Hinzu kommen 20 Millionen Motor- und Segelschiffe. Der Markt für diese Art der Schiffsbeschichtung hat ein Volumen von mind. EUR 40 Milliarden weltweit.  Weiteres Marktpotenzial für diese disruptive Grundlagentechnologie ergibt sich bei hygienischen Trinkwasserspeichern und -Leitungen, Fischzuchtbecken, chemische Anlagen, Offshore Plattformen, Pipelines, und Meerwasser-Entsalzungsanlagen.

finanzwelt: Sie sind mit 20-jähriger Erfahrung im Management und der Finanzierung disruptiver Technologien als Lead Investor bereits mit ca. 5 Millionen investiert. Wie können Anleger von Ihrer Erfindung profitieren?

Dr. Pollert:  Wir haben letztes Jahr den Hightech Value Pool, ein Fonds nach Luxemburgischen Recht, initiiert. Der Fonds investiert in disruptive Technologien im Venturebereich (Seed-Phase). Ein Investment des Fonds ist ACT. Ein öffentliches Angebot hierzu gibt es nicht, allerdings können professionelle und semi-professionelle Anleger in den Fonds investieren. (lvs)