Wie die Luftverschmutzung auf den Ozeanen verringert werden könnte
Einfach denken.
Wie ein Karlsruher Wissenschaftler und sein Institut mit einer selbstklebenden Folie die Emissionen der Schifffahrt reduzieren wollen. Mitarbeiter des Aircoat-Projekts stellten das Forschungsvorhaben sowie dessen Erkenntnisse auf der jüngsten Hannover Messe Anfang April vor. Den interessierten Besuchern wurden Funktionsweise, Einsatzmöglichkeiten und Vorteile der Technologie erklärt. Zu Demonstrationszwecken wurde die Folie am Rumpf eines Modellboots angebracht.
Im Idealfall dauert es keine fünf Jahre mehr. Dann können Schiffe ihren Energieverbrauch und ihre Umweltbelastung auf einen Schlag drastisch senken. Ohne Veränderung der Schiffsgeometrie. Ohne Veränderung der Motoren. Ohne Segel oder Drachen. Ohne Veränderung der Kraftstoffart. Die Schiffe müssen es nur so machen wie der Schwimmfarn Salvinia molesta.
Biologen haben entdeckt, dass der Farn auch unter Wasser eine Luftschicht auf der Oberfläche seiner Blätter hält. Diese Fähigkeit nannten sie den Salvinia-Effekt. Er soll unter dem Namen Aircoating auf Schiffe übertragen werden. Die Technik wurde kürzlich auf der Hannover Messe vorgestellt. Prototypen einer solchen Haut aus Luft haben im Labor die Reibung im Wasser schon um mehr als 20 Prozent verringert. Aber das ist noch nicht alles.
„Drei von drei großen Problemen der Schifffahrt kommen vom Wasser“, sagt der Hochschullehrer Thomas Schimmel schmunzelnd. „Und alle drei Probleme wollen wir angehen.“
Zehn Partner aus sechs europäischen Ländern arbeiten beim Aircoat-Projekt zusammen. Die EU-Kommission fördert es über drei Jahre mit insgesamt 5,3 Mio. EUR. In Hannover demonstrierte Schimmel die Technik mit Hilfe eines kleinen Modellbootes. „Ein großes Problem für den Energieverbrauch und die Umwelt ist die Reibung eines Schiffes im Wasser“. Er will die Schiffe mit einer millimeterdünnen Folie bekleben lassen, die, wie der Schwimmfarn, unter Wasser eine Luftschicht bildet. „Die Folie und die Luftschicht lassen kein Wasser an den Schiffsrumpf, reduzieren somit die Reibung im Wasser, lösen aber auch zwei weitere Probleme.“ Damit meint Schimmel die Korrosion und vor allem das sogenannte Fouling, den Bewuchs eines Schiffsrumpfes mit Mikroorganismen, Muscheln und anderen Meeresorganismen. „Unsere Folien könnten den Einsatz von Antifouling-Anstrichen und Korrosionsbehandlungen überflüssig machen oder zumindest signifikant reduzieren.“
Von der Theorie zur Praxis
Zum Beweis taucht Schimmel eine Folie in ein Aquarium. Unter Wasser bekommt die Folie einen silbrigen Glanz. „Das ist die Luftschicht“, sagt Schimmel. Der Glanz auf den Farnblättern, die er zum Vergleich untertaucht, ist nicht so stark und so regelmäßig. Auch die Dauerhaftigkeit des Effekts auf den Folien ist prinzipiell nachgewiesen. „Wir haben Testfolien in unserem Labor, die liegen seit Jahren in mit Wasser gefüllten Gläsern fest verschlossen und halten ihre Luftschicht immer noch. Sie bleiben also jahrelang unter Wasser trocken.“ Nachdem der Salvinia-Effekt „von der Pflanze ins Labor“ gebracht wurde, arbeitet Schimmel mit seinen Kollegen jetzt am Weg „vom Labor aufs Schiff“.